Die Ikonenmalerei im 8. Jahrhundert


Ikone 8. Jhd. (741-752), Rom,
Fresko Santa Maria Antiqua, Kirche
aus dem 5. Jhd., Nationalarchiv


Fahren Sie mit der Maus über das Bild und erblicken Sie das Original.
Abschrift von K. Voß

 

 

Kreuzigung Christi

 

Im oberen Teil der Ikone, der ca. ein Viertel der Gesamthöhe ausmacht, sind auf tief dunkelblauem Hintergrund ungewöhnlich dunkel und daher kaum zu erkennen die Zeichen für Sonne (links) und Mond (rechts) auszumachen und erinnern damit an viele Textstellen in der Bibel im Sinne von: “Sonne und Mond werden ihren Schein verlieren / sich verdunkeln...”

Vier Berge in vier unterschiedlichen Farben (rot, türkis, ocker und braun) trennen den Himmel von dem Geschehen auf der Erde und bilden den Hintergrund für die Figuren. Nur das zentrale Kreuz ragt darüber hinaus bis in den dunklen Himmel hinein, sodass sich der gesamte Oberkörper Christi kontrastreich vor dem dunken Raum hervor hebt.

Im Zentrum der Ikone steht das Kreuz mit dem gekreuzigten Christus. Er steht in gerader Haltung mit leicht zur Seite geneigtem Kopf, seine Augen sind offen und klar und ohne erkennbares Leid.

Zu seinen Füßen sehen wir einen mit brauner Farbe hervorgehobenen Felsen, in dem drei Keile hinein getrieben wurden, um das Kreuz zu halten.

Maria steht zu seiner Rechten (der Betrachter der Ikone schaut sie links). Sie ist in ein dunkelblaues Maforion gewandet. Ihre im Stoff verhüllten Hände hält sie vor ihr Kinn, ihr Blick schaut auf ihren Sohn. Ihre Haltung drückt auf eine sehr elegante Art und Weise innere Bewegtheit aus.

Rechts vom Kreuz erblickt die Betrachterin den Evangelisten Johannes. Sein ockerfarbenes Gewand hebt sich nur sehr sanft von den dahinter liegenden ockerfarbigen Berg ab und trägt somit Ruhe und Unaufgeregtheit in die Szene hinein. Seine rechte Hand meldet eine Aussage an, in seiner linken Armbeuge hält er das mit Edelsteinen und Perlen geschmückte, geschlossene Buch, mit dem Buchrücken nach außen.

Im Hintergrund und im kleineren Maßstab gehalten sind zwei weitere Personen abgebildet: Der Linke in römischer Feldherrn-Gewandung, namentlich als Longinus hervorgehoben, hält die Heilige Lanze an die Rippen Christi, während die unbenannte rechte Person in schlichter roter Bekleidung dem Gekreuzigten einen Essigschwamm hoch reicht, welcher an einem langen Stab befestigt wurde. Ihm zu Füßen steht ein Gefäß, jenes, in welches später - nach der Kreuzabnahme - die Nägel hinein kommen.

 

Besonderheiten der hier vorliegenden Ikone:

  • Das Büßergewand Christi bedeckt auf dieser Ikone aus dem 8. Jahrhundert noch den gesamten Rumpf Christi bis hin zu den Knöcheln. Die zwei Clavi (am römischen Hofe nur von Höher gestellten getragen) drücken seine Stellung aus. Im Gegensatz dazu wird Christus in der Kreuzigungsszene später mit unbekleidetem Oberkörper und ohne Ehrenzeichen gezeigt.
     
  • Christus hält seine  Augen geöffnet! Dies ist nur auf sehr alten Ikonen zu entdecken. Durch einen kirchlichen Erlass wurde dies später geändert in geschlossene Augen. Doch gerade die geöffneten Augen sind ein Zeichen des Sieges über den Tod, der nicht endgültig ist. Eine der letzten Ikonen “Christus am Kreuz mit geöffneten Augen” stammt aus dem 11. Jahrhundert (Abbildung rechts).

Abbildung:
modernes Modell (K. Voß)
vom Negatif-Relief-Urbild aus Kalkstein,
Münchenwiler, um 1050 (Maus über Bild)

 

  • Die sehr gerade, formale Ausrichtung des Körpers am Kreuz wird schon bald durch eine s-förmig verdrehte Körperhaltung abgelöst. Auch damit wird die Aussage des transzendenten Sieges über den Tod durch die Betonung des Natürlichen überdeckt und damit nicht mehr direkt anschaulich gemacht.
     
  • Die paralelle Fußstellung erfordert je einen Nagel pro Fuß / Hand und ergibt in der Summe vier Nägel (orthodox), während katholische Darstellungen in späteren Jahrhunderten nur noch drei Nägel verwenden, d.h. die Füße kommen dort übereinander zu liegen und können auf diese Weise mit nur einem Nagel an das Kreuz geschlagen werden.
     
  • Die Aufschrift und der Wortlaut der ans Kreuz geschlagenen Tafel wurde im griechischem Original-Text nach Johannes 19,19-20 aufgeschrieben: Ιησους ο Ναζωραιος - ο βασιλευς των Ιουδαιον (Jesus der Nazoräer - der König der Juden).

In der kenntnisreichen Betrachtung der verschiedenen Stilmittel liegt das Besondere dieser Ikone. Das Fresko stammt definitiv aus dem weströmischen Raum (siehe die Beschriftung auf Latein SCA MARIA, LONGINUS und SCS IOANNIS). Die Ikone zeigt aber noch die gemeinsamen Stilmittel zur Urkirche aus dem Osten!
 

Mehr interessantes zu den Heiligen Nägeln lese man bitte auf wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Heiliger_Nagel

 

 

Die obige, von der Ikonenmalerin Kirsten Voß gemalte Abschrift hat die Größe von 35x35 cm, Eitempera auf Leinwand. Preis auf Anfrage...

[Willkommen] [vor dem Start] [Impressum]