Ikonenmalerei im 5. Jahrhundert


Das 5. Jahrhundert ist geprägt von imposanten Kirchenbauten. Zeugnis geben noch heute die wunderschönen Wand.- und Deckenmosaiken unter reichlicher Verwendung von mit Blattgold belegten Glassteinen. Das hier gezeigte Beispiel stammt aus der Santa Maria Maggiore und zeigt das Himmlische Jerusalem.

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Ikone - Kirsten Voß

Für geübte Augen und KunsthistorikerInnen: Vielleicht fällt Ihnen der kleine Hinweis auf die zweite Heilige Stadt Bethlehem auf? Ja - richtig! Sie könnten bemerkt haben, dass das mittlere, linke Schaf eine etwas andere Position einnimmt als auf dem Mosaik-Original. Warum ist das so?

Nun, zum Zeitpunkt der Recherche nach einem schönen Beispiel alter Ikonenmalerei (im weitesten Sinne) aus dem 5. Jahrhundert entdeckte Kirsten Voß zunächst nur eine unvollständige Abbildung von der Himmlischen Stadt Jerusalem auf dem Torbogen in der Kirche Maria Maggiore. Das Pendant, die Heilige Stadt Bethlehem auf der anderen Seite des Bogens war jedoch vollständig abgebildet. Beide Städte gleichen einander in ihrem formalen Aufbau und bilden zusammen den linken und rechten Torbogen. Daher übernahm sie für die Stadt Jerusalem die Anordnung der Schafe vor der Stadt Bethlehem. Später entdeckte Voß dann die hier gezeigte Original-Aufnahme mit der tatsächlichen Anordnung der “Jerusalem-Schafe”. Wer sich intensiv mit Ikonen beschäftigt, wird immer wieder auf so kleine, liebenswerte Abweichungen stoßen, die eine Ikonenanfertigung zu einer Einzigartigkeit machen können. (Die Originalaufnahmen des Mosaikes enthält aufgrund der Höhe der Bögen Verzerrungen in der Vertikalen, die in der vorliegenden Arbeit auf ein angenehmes Maß zurückgerechnet wurden.)

Schon in dieser frühchristlichen Mosaikgestaltung wird ein wesentliches Element der östlichen Ikonenmalerei deutlich:
Dargestellt wird nicht die Realität, sondern die Himmlische Welt Gottes.
So wird die Stadtmauer mit Edelsteinen und Perlen besetzt dem Betrachter und der Betrachterin dargestellt und wurde vollständig auf goldenem Grund gestaltet. Gold als Symbol des Höchsten, der Transzendenz, verstanden als nicht direkt erfahrbare Ebene Gottes, eben der Himmlischen Welt. Die Schafe stehen auf einer “fetten Wiese” vor der Stadt, wo doch jeder weiß, dass es sich um eine wüstenähnliche Region handelt, aber in der Welt Gottes ist alles vollkommen - und genau das erblicken wir hier.

Innerhalb der Stadt sind Gebäude und Dächer zu sehen. Neben von Säulen getragenen Tempeln tritt deutlich das Kuppelgebäude der Grabstätte Christi in Jerusalem hervor.
Die vier Säulen, welche in der Abbildung wiederholt auftauchen, können z.B. einen Hinweis auf die Mosaischen Stiftshütten geben. Und vielleicht fallen Ihnen noch andere Verbindungen dazu ein. Ikonen können auch als Ansprache an unser Unbewusstes - besser: noch nicht Bewusstes -  verstanden werden.

 

 

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