Ikonenmalerei im 9. Jahrhundert


Zu sehen sind zwei Soldatenheilige auf ihren Pferden. Ihre Haltung und die Position ihrer Pferde ist identisch. Das Pferd des Theodor ist rot, das Pferd des Georgos ist weiß. Dies entspricht den allgemeinen, wesentlichen Merkmalen dieser Heiligen. Beiden Heiligen steht je ein Engel auf Kopfhöhe zur Seite. Jeder Engel weist “seinem Schützling” mit einer Geste der rechten Hand gen Himmel: Von dort kommt die Kraft, woher der Soldatenheilige seinen Mut beziehen wird, um das Übel zu besiegen.

 

Ikone der Heiligen Theodor und Georgos

Katherienkloster Sinai:
9./10. Jhd. Ursprünglich auf zwei schlanken Tafeln gemalt, sind hier beide Soldatenheilige auf einer Tafel vereint.

 

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Die Tafel ist horizontal in drei annähernd gleich große Abschnitte unterteilt.

die Schlange des Bösen im unteren Teil der Theodor IkoneDer unterste Teil ist in ziegelrotem Ton gehalten. Er symbolisiert die Wüste. In für die byzantinische Malerei untypischer Weise deuten leicht geschwungene Linien die einfarbig gehaltene Oberflächenstruktur des Bodens an, welcher seine Lebendigkeit aufgrund von unterschiedlicher Deckkraft der Farbe rot erhält. In diesem Teil befinden sich eine Schlange und ein Mensch/Teufel - Symbole des Bösen. Die Schlange ist ein byzantinisches Symbol für den Teufel, analog ist der Mensch ein westliches Sujet für die Personifikation des Teufels. Beiden Erscheinungen wird jeweils ein Speer in das Maul bzw. Auge gestoßen. Dabei ist die Haltung der Reiter und ihrer Pferde ruhig und ohne Aufregung - Zeichen östlicher Malerei.

Das Pferd des Theodor im Mittelteil der IkoneDer Mittelteil der Ikone wird von einem hellen, fast weißen Band bestimmt, in dem sich die Farben des unteren Teils (Boden, rot) sowie des oberen Teils (Himmel, tiefdunkelblau) in Form transparenter, zarter Tupfer vermischen. Daraus ergibt sich eine bewegte, aber ungegenständliche Struktur - untypisch für die östliche Ikonenmalerei und daher vermutlich ein westlicher Einfluss. Im Mittelteil der Ikone werden zwei Pferde in rot (das des Theodors) und weiß (das des Georgios) dargestellt. Die Haltung ihrer Köpfe ist nach innen gewandt (zum Sattel hin) und ebenfalls untypisch für östliche Malerei. Jedoch ist das Größenverhältnis von Reiter zu Pferd zugunsten der Reiter verschoben. Diese so genannte Bedeutungsperspektive ist typisch für östliche Malerei. Nicht das, was perspektivisch oder real größer ist, wird größer abgebildet, sondern jenem, welchem eine größere Bedeutung zugemessen wird, wird auch malerisch mehr Raum gegeben.

Knoten im Schwanz auf byzantinischen IkonenWir bemerken, dass die Pferdeschweife glatt nach unten hängen. Würden sie konsequent in byzantinischer Manier wiedergegeben sein, so wären sie in je einem Knoten geendet (siehe Abbildung rechts). Die Malerei dieser Ikone verzichtet also an dieser Stelle auf eine Botschaft. Was würde der Knoten in einem Pferdeschwanz auf byzantinischen Ikonen bedeuten? Der Knoten wird als Hinweis darauf gedeutet, dass sich das Pferd ganz dem Willen seines Reiters gefügt hat, indem es seinem natürlichen Fluchtinstinkt vor einer Schlange nicht nachgegeben hat.
Denken wir die Deutung dieses Motivs eine Stufe höher, gelangen wir zu der Erkenntnis, dass sich der Mensch, analog zu Pferd und Reiter, indem er sich seinem Gott und Führer unterordnet, ihm vertrauen darf und in dessen Schutz zu stehen kommt.

Die Farbaufhellungen der sichtbar männlichen Pferdekörper ist in Form einer leichten Musterung gearbeitet, welches an eine Blüte erinnert. Beide Pferde tragen vor ihrer Brust ein Kreuz, wie es vermutlich die Kreuzfahrer zu Zwecken des Schmuckes und der Darstellung von Rang und Reichtum taten.

oberer Teil der Theodor IkoneDer obere Teil schlussendlich ist mit blauschwarzem Hintergrund gearbeitet und symbolisiert den nächtlichen Himmel, der mit einem unregelmäßigen Punktmuster belegt ist. Hier treten wunderschön die Oberkörper der Heiligen hervor. Sie tragen je einen hellroten, mit weißen Kreismuster besetzten Chlamy, dessen reduzierter Faltenwurf auf westlichen Einfluss hindeutet. Ihre Speere beginnen oberhalb mit einem Kreuzzeichen und verlaufen leicht diagonal über das Mittelfeld nach rechts unten zu dem Teufel bzw. zu der Schlange. Die jeweils rechte Hand (also links von jeder Figur) hält den Speer, wobei der Zeigefinger nach oben in den Himmel hinein deutet. In der anderen Hand halten beide entspannt und locker die Zügel ihrer Pferde. Der Blick des Theodor (links) ist auf den Georgios (rechts) gerichtet, welcher dem Betrachter der Ikone direkt anschaut. Jeweils rechts der Figuren, also an ihrem linken Ohr ist je ein Engel abgebildet. Auch dieser weist mit dem Finger gen Himmel. Dieses Motiv deutet an, dass die Heiligen im Namen Gottes handeln und seinen Segen erhalten.

Die punktartige Gestaltung der Heiligenscheine von Heiligen und Engeln deutet darauf hin, dass diese ursprünglich zwei Ikonen von westlichen Kreuzfahrern angefertigt wurden, die während ihres Aufenthaltes im Byzantinischen Reich von orthodoxen Mönchen oder Malern in die Kunst der Ikonenmalerei eingeführt worden sind. Sie brachten aber auch ihre eigenen Stilmerkmale mit. So deuten die Gesichtszüge und die Art und Weise der Gestaltung der Kleidung auch auf westlichen Einfluss hin. Ebenso für die östliche Malerei ist der sehr ungewöhnliche, in weiß gehaltene Hintergrund mit roten und blauschwarzen Tupfern. Ikonen aus dieser Zeit, welche westliche und östliche Stilmittel in sich vereinen, werden allgemein “Kreuzfahrerikonen” genannt.

vertiefend: die Waränger

weiter mit 10. Jhd.

 

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